Weil die meisten, die von den Heiden her zum Glauben an Christus gekommen sind, meinen, dieses Buch sei von David und es überschreiben mit „Psalmen Davids“, muss man sagen, was über es auf uns gekommen ist. Die Hebräer überschrieben das Buch mit „sefra thellim“. In der Apostelgeschichte wird gesagt, es sei das „Buch der Psalmen“; der Wortlaut ist so: wie im Buch der Psalmen geschrieben ist (Apg 1,20). Einen Namen in der Überschrift des Buches gibt es hier nicht. Der Grund liegt darin, dass die Worte nicht von einem einzigen in es eingetragen worden sind, sondern von mehreren gesammelt wurden, als Esra, wie die Überlieferungen besagen, nach der Gefangenschaft die Psalmen von mehreren in ein einziges Werk zusammenführte oder auch Reden, die überhaupt nicht Psalmen waren. Bei einigen ist nunmehr der Name Davids vorangestellt, bei anderen Salomons und bei wieder anderen Asafs. Es gibt aber auch einige von Idithum und daneben andere von den Söhnen des Korach wie auch von Moses. Die Worte so vieler also, die zu einem geschlossenen Werk gesammelt wurden, können von jemanden, der Bescheid weiß, doch wohl nicht David allein beigelegt werden. Es ist aber bei den Psalmen ohne Überschrift zu fragen, wen man als ihren Urheber anzunehmen hat. Denn weshalb ist bei ihnen auch nicht die einfachste Überschrift vorangestellt, die so lautet: „ein Psalm von David“ oder, falls es sich nicht um Psalmen handelt, die noch einfachere, welche besagt: „von David“, ohne jeden Zusatz? Wir haben angenommen, dass das Gesagte dort, wo allein diese Überschrift steht, weder ein Psalm ist noch ein Lied, sondern irgendeine Rede, aufgeschrieben aus heiligem Geist dem zum Nutzen, der zu verstehen imstande ist. Es gelangte aber die Überlieferung eines gewissen Hebräers über die zuletzt genannten zu mir. Da es nämlich viele ohne Überschrift gab, einer aber vor diesen, die ohne Überschrift sind, die Überschrift „von David“ hat, sagte er, dass auch jene als dazugehörig aufgefasst werden müssen und angenommen werden muss, dass sie von David sind. Und wenn sich dies so verhält, dann ist es folgerichtig, dass die Psalmen ohne Überschrift von jenen stammen, denen man die davor stehenden ihrer Überschrift zufolge zu Recht zugewiesen hat. Warum es aber einhundertfünfzig Psalmen gibt, wollen wir erforschen. Dass die Zahl Fünfzig zum einen unter den Tagen heilig ist, ist offenkundig aus der viel besprochenen Pentekoste, die Befreiung von Mühen und Freude bedeutet. Deshalb ist festgesetzt, an diesen Tagen weder zu fasten noch die Knie zu beugen. Denn dies sind Symbole einer großen Festversammlung, die in der Zukunft liegt, deren Schatten über Israel verbreitet war auf der Erde (vgl. Kol 2,17; Hebr 8,5; 10,1). Unter den Jahren zum andern ist das bei den Hebräern Jobel genannte fünfzigste Jahr (vgl. Lev 25,8–12) viel größer als in den Siebener-Jahren (vgl. Lev 25,1–7) die Freilassung von Sklaven (vgl. Ex 21,2), die Schuldentilgung (vgl. Dtn 15,1–2) und das Einstellen von Ackerbau und jedweder Landwirtschaft (vgl. Ex 23,11; Lev 25,4–5), weil im Jobeljahr auch Felder und Häuser, die von den Vätern in irgendeiner existentiellen Notlage veräußert worden waren, der Sippe wieder zurückgegeben werden (vgl. Lev 25,13–16. 29–33; 27,24). Das heilige Evangelium kennt die Erlassung einer Zahl von Fünfzig und der mit ihr verwandten und daneben genannten fünfhundersten Zahl (Lk 7,41–42); die Erlassung von fünfzig Denaren und von fünfhundert wird ja nicht ohne Grund gewährt. So also gehörte es sich, dass die an Gott gerichteten Loblieder für die Tötung von Feinden und zum Dank für die Wohltaten Gottes nicht eine einzige Anzahl von Fünfzig umfassen, sondern drei: auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes (vgl. Mt 28,19). Es enthält aber die Anzahl von Fünfzig sieben Siebenzahlen als Sabbate von Sabbaten und nach vollendeten Sabbaten über die Sabbate hinaus in der Zahl von Acht den Anfang wahrhaft neuer Ruhe. Auch darauf achte, wer kann, bei den Psalmen, dass bei allen den Sinn zu finden mehr als menschlich ist, wie wir darlegen wollen: zum Beispiel ist der achte nicht ohne Grund über die Keltern überschrieben, da er in der Zahl der Acht die Vollendung der Früchte enthält – denn in den Zahlen vor der achten konnte noch nicht der richtige Zeitpunkt sein für den Genuss der Früchte des wahren Weinstocks (vgl. Io 15,1) – und der zweite über die Keltern ist der achtzigste, da er eine andere Zahl von Acht enthält, nämlich die in Zehnern. Der dreiundachtzigste dagegen, bei dem zwei heilige Zahlen ineinander verwoben sind, die Achte in Ζehnern und die Dritte in Einern, <...>. Und derjenige, der um das Erlassen der Sünden bittet und ein Bekenntnis enthält, ist der fünfzigste (Psalm). Wie nämlich laut Evangelium die fünfzigste (Zahl) eine Erlassung enthielt, wobei sie unser Verständnis vom Jobeljahr bestätigt, so hofft, wer hier etwas vom Bekenntnis betet, bei keiner anderen als bei der fünfzigsten Zahl Vergebung zu erlangen. Desweiteren sind einige Stufenlieder, fünfzehn an der Zahl, so viele wie auch die Stufen des Tempels, womit sie vielleicht klarmachen, dass die Schritte des Aufstiegs in der siebten und achten Zahl enthalten sind. Die Gradualpsalmen beginnen mit dem einhundertzwanzigsten, der einfacher nur Psalm genannt wird, wie es die genauen Abschriften bieten; das aber ist die Zahl der Vollkommenheit des Menschenlebens (vgl. Gen 6,3). Und der hundertste, dessen Anfang lautet Von deinem Erbarmen und deinen Gerichtsurteilen will ich dir singen, Herr (Ps 100,1), hat das Leben des Heiligen zum Inhalt, der von Gott in die Gemeinschaft aufgenommen wird. Der einhundertfünfzigste endet mit Jeder Atem lobe den Herrn (Ps 150,6). Aber weil es, wie wir zuvor gesagt haben, für die menschliche Natur außerordentlich schwierig und kaum zu erreichen ist, dies bei einem jeden einzelnen durchzuführen und die Gründe zu finden, wollen wir uns mit diesen Ausführungen begnügen und fügen andeutungshalber nur hinzu, dass die Psalmen, obwohl sie der Geschichte zu folgen scheinen, nicht in der Ordnung der Beschreibung der Geschichte aufgeschrieben sind. Und Grund dafür gibt es keinen anderen als die Zahlen, in denen die Psalmen angeordnet sind. Zum Beispiel ist die Geschichte des einundfünfzigsten Psalmes früher als die Geschichte des fünfzigsten. Denn jeder gibt zu, dass die Erzählung vom Idumäer Doëk, der David bei Saul schlechtmachte (vgl. I Reg 21,8; 22,9–10.22), früher ist als die Sünde gegen die Frau von Uria (vgl. II Reg 11). Doch nicht ohne Sinn ist das geschichtlich Zweite früher als das geschichtlich Erste, da, wie wir zuvor gesagt haben, das Thema der Vergebung verwandt mit der fünfzigsten Zahl ist, derjenige aber, der nicht der Vergebung würdig ist, über die fünfzigste Zahl hinausgegangen ist, wie der Idumäer Doëk; der einundfünfzigste ist es ja, der die Erzählung über ihn behandelt. Indessen ist auch vom dritten, da er gesagt ist, als David vor seinem Sohn Abessalom (vgl. Ps 3,1) floh, den Lesern der Königtümer (vgl. II Reg 15,13–14) klar, dass er nach dem einundfünfzigsten und dem fünfzigsten ist. Wenn sich jemand ausführlicher und über längere Zeit hin mit dergleichen Bewandtnissen der Geschichte und der Überschriften beschäftigt, wird er genauer die Gründe für die Anordnung der Psalmen finden.