Wer wird aus Zion das Heil Israels bringen? Wenn Gott die Gefangenschaft seines Volkes zurückführt, wird Jakob jubeln und Israel sich freuen. Nachdem der Prophet aus der Offenbarung durch den Heiligen Geist große Visionen hatte über die Vernichtung der Feinde des Menschengeschlechts, fügt er anschließend die Frage an: Wer wird aus Zion das Heil Israels bringen? , als wollte er sagen: wer wird bringen, dass dies jemals in die Tat umgesetzt wird? Denn aus den Übeln in die Freiheit gerettet zu werden, kann den Menschenkindern nicht anders geschehen als allein durch die Erscheinung des Heils Gottes, welches in den gesamten Schriften oft besprochen wird. Er betet also mit der Frage: Wer wird aus Zion das Heil Israels bringen? Oft aber wurde uns gesagt, dass der Christus Gottes, unser Heiland und Herr in den prophetischen Büchern in dieser Weise angekündigt wird. Sie pflegen ihn nämlich Heil zu nennen, welches kennenzulernen sie auch all den (Heiden-)Völkern ankündigen sowohl in den anderen Schriften als auch in denen, wo es heißt: Singt dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Erde. Singt dem Herrn, preist seinen Namen, verkündet Tag für Tag sein Heil. Verkündet unter den Völkern seine Herrlichkeit. Und an anderer Stelle: Singt dem Herrn ein neues Lied, denn wunderbare Dinge hat er getan. Der Herr hat sein Heil kundgetan, vor den Völkern hat er seine Gerechtigkeit offenbart. Und Jesajas sagt: Enthüllen wird der Herr seinen heiligen Arm vor allen Völkern und alle Enden der Erde werden das Heil unseres Gottes erkennen. Schon oft haben wir die Erfüllung der Worte erklärt, die von Simeon bezeugt wurde, der unseren Heiland und Herrn Jesus Christus, als er noch ein Kind war, in die Arme nahm und die Worte sprach: Nun entlässt du deinen Knecht, Herr, nach deinem Wort in Frieden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du bereitet hast im Angesicht der Völker. Ein Licht zur Offenbarung für die Völker und zur Herrlichkeit deines Volkes Israel. Dies also hat sich in den Evangelien erfüllt. Die alten Propheten jedoch, die die Zukunft im Geiste voraussahen und in Liebe und Verlangen nach den guten Dingen gerieten, schrieen in ihren Gebeten einmal mit den Worten: Zeige uns, Herr, dein Erbarmen, und dein Heil mögest du uns geben. Dann wieder sprachen sie im Gebet: Wer wird aus Zion das Heil Israels bringen? Was nämlich passieren würde, wenn das Heil erscheint, stellt der anschließende Text dar in den Worten: wenn Gott die Gefangenen seines Volkes zurückführt, wird Jakob jubeln und Israel sich freuen. Du siehst, dass er ankündigt, dass, wenn das Heil erscheint, eine Wende eintreten wird für die Gefangenen , gemäß der heilbringenden Prophetie, die dem sprechenden Propheten vom selben Prosopon eingegeben wurde: der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkünden; er hat mich gesandt, Gefangenen die Freilassung zu verkünden, Blinden, dass sie wieder sehen , die (sc. die Prophetie) in der Synagoge der Juden der Heiland selbst in die Hand nahm und die Stelle besprach und sie besiegelte mit den Worten: Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt. Da nun die Gefangenschaft aufgehoben ist, werden aus ihr (d.h. aus den ehemaligen Gefangenen) Chöre zusammengestellt, die ihrem Befreier, dem König, Hymnen hinaufsenden. Dann wird auch Jakob jubeln und Israel sich freuen . „Dann“, das heißt wann anders als zum Zeitpunkt der beschriebenen Befreiung des Volkes Gottes? (Dies wird jedoch gesagt,) damit du erkennst, dass das befreite Volk andere sind als die, die sich über diese Rettung freuen . Dieser Sinn liegt nämlich darin, wenn die Rede sagt: wenn Gott die Gefangenschaft seines Volkes zurückführt, wird Jakob jubeln und Israel sich freuen. Diese nämlich werden sich freuen, wenn der Herr die Gefangenschaft seines Volkes zurückführt. Zwei Gruppen werden also durch diese Verse nebeneinandergestellt, zum einen die Gruppe derer, die nicht in die Gefangenschaft gefallen sind, zum anderen die Gruppe derer, die zwar (in die Gefangenschaft) gefallen sind, jedoch durch das Heil die Freiheit gefunden haben. Du wirst nun sagen, dass die alten Propheten, die Gerechten, die Patriarchen und alle, die rein vom Irrtum des Götzendienstes gewesen sind, dass diese diejenigen sind, die nicht in die Fänge der geistigen Feinde gefallen sind. Die aber aus den Heidenvölkern in die Gottlosigkeit abgeglitten sind und die Sklaven des Irrtums der Vielgötterei oder auch die aus der Beschneidung, die sich ihren Sünden verschrieben haben und einfach alle, über die oben gesagt wurde: Ein Törichter spricht in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott. Sie wurden zugrunde gerichtet und wurden abscheulich in gesetzlosen Taten, – dass dies diejenigen sein werden, die in die Gefangenschaft gefallen sind. Wenn diese nun durch die Erleuchtung durch das Heil befreit sein werden, dann wird der schon längst bei Gott ruhende prophetische Chor, der wegen der mit diesen Namen bezeichneten Dingen völlig zutreffend Jakob und Israel genannt wird, jubeln und sich freuen wie über die eigenen Glieder, aus freudiger Anteilnahme mit den durch das Heil Befreiten. 53 Gebet dessen, der durch den Geist angetrieben wird Auf das Ende hin, in Hymnen; aus Einsicht, von David. Als die Ziphäer kamen und zu Saul sagten: Siehe, hat sich David nicht bei uns verborgen? Gott, in deinem Namen rette mich, und in deiner Herrschaft richte mich. Gott, erhöre mein Gebet, höre auf die Worte meines Mundes. Denn Fremde haben sich gegen mich erhoben, und Starke trachteten nach meiner Seele, und Gott haben sie nicht vor sich gestellt. Diapsalma. In gleicher Weise wie bei den (Psalmen) im ersten Teil des Buches der Psalmen anhand ihrer jeweiligen Überschrift gezeigt wurde, dass sie nach der Verfehlung gegen Uria gesprochen wurden, ebenso sind auch jetzt bei jedem einzelnen Psalm die Überschriften Hinweise auf den Zeitpunkt, an dem sie gesprochen wurden. So also verweist etwa der vorliegende auf das erste Buch der Königtümer, damit wir von dort her lernen mögen, angesichts welcher Begebenheiten David den vorliegenden Hymnos vortrug. Die Geschichte hatte aber folgenden Verlauf: Und David ließ sich in der Wüste Masedek nieder in den Engpässen; und er ließ sich nieder auf dem Berg in der Wüste Ziph. Dann (wird gesagt), dass Jonathan, der Sohn Sauls, zu ihm kam und zu ihm sagte: Fürchte dich nicht, denn die Hand meines Vaters wird dich gewiss nicht finden, und du wirst König sein über Israel, und ich werde der zweite nach dir sein, und mein Vater Saul weiß das. Und sie schlossen beide einen Bund vor dem Herrn, und David blieb, und Jonathan ging fort zu seinem Haus. Im Anschluss daran fügt er hinzu: Und die Ziphäer gingen hinauf aus der Öde auf den Hügel zu Saul und sagten: Siehe, hat sich David nicht bei uns verborgen, in Mesara, in den Engpässen in Kaine? Als nun Saul dies hörte, wandte er sich zur Verfolgung Davids und war schon nahe daran, ihn gefangen zu nehmen. Es heißt nämlich: Und Saul hörte es und jagte David nach in die Wüste Maom. Und Saul und seine Männer gingen auf der Seite dieses Berges. Und David verbarg sich, um vor Sauls Angesicht wegzugehen; und Saul und seine Männer belagerten David und seine Männer, um sie gefangen zu nehmen. Und ein Bote kam zu Saul und sprach: Beeil dich und komm, denn es sind Fremdstämmige in das Land eingedrungen. Und Saul ließ davon ab, David nachzujagen, und ging fort, um den Fremdstämmigen entgegenzutreten. Soweit also der historische Hintergrund, vor dem David, als er aus der Hand Sauls gerettet war, den vorliegenden Hymnos schriftlich fixierte („der Schrift übergab“), wobei er durch die Überschrift den Zeitpunkt angab und die Situation verdeutlichte. Daher ruft er uns zur Einsicht des Inhalts auf mit den Worten: auf das Ende hin, in Hymnen; aus Einsicht, dem David , nach Aquila jedoch: dem Bereiter des Sieges in Psalmen des Verständigen, Davids , und nach Symmachos: ein Siegeslied auf dem Psalterion über die Einsicht Davids . Weil er (in seiner Situation), auf der Flucht und gejagt durch die Wüste, anstelle eines Schutzamuletts sich das Instrument des Psalterions anheftete und dieses und die mittels seiner zu Gott hinaufgesandten Hymnen einsetzte, und so zum einen die geistigen Oden und Psalmen anstelle von (fleischlichen) Opfern darbrachte, zum andern anstelle des wohlduftenden Weihrauchs durch Gebete den geistigen Tempeldienst vollzog. Als also die Ziphäer kamen und zu Saul sagten: Siehe, hat sich David nicht bei uns verborgen? (und) als David dies erfuhr – entweder durch eine Offenbarung seines prophetischen Geistes, oder durch irgendjemanden von denen, die normalerweise solche Nachrichten überbringen – nahm er sogleich das Psalterion zur Hand und brachte Gott mit ihm Opfer durch Worte dar, indem er den vorliegenden Psalm sprach, in dem er darum bittet, von Gott gerettet zu werden, und zwar auf keine andere Weise als durch seinen Namen. Daher sagt er: Gott, in deinem Namen rette mich. Er wusste nämlich, dass es einen bestimmten Namen gibt, der über jedem Namen ist . So nämlich, wie es bei den Beschwörungsformeln gegen Giftschlangen bestimmte Worte und Namen gibt, die eine solche Zauberkraft haben, dass sie die furchtbarsten der Schlangen einschläfern oder sogar töten, in eben solcher Weise wurde der Name, der über jedem Namen ist erkannt als das Heil derer, die der Rettung würdig sind, für die Feinde jedoch und gegensätzlichen Kräfte als Vertreiber. Er wollte also gerettet werden im Namen Gottes , doch wollte er nicht ohne Beurteilung gerettet werden, sondern (nur) dann, wenn er der Rettung für würdig befunden würde, weshalb er anfügt: Und in deiner Herrschaft richte mich, oder nach den anderen Übersetzern wirst du mir Recht sprechen . Als erstes nämlich bittet er, gerichtet zu werden und Recht gesprochen zu bekommen gegen die, die ihn verfolgen oder verleumden, dann erst, wenn er sich solcherart als Opfer eines Unrechts erwiesen haben dürfte, (möchte er bitten,) Genugtuung zu bekommen vom Richter, dadurch, dass dieser die Täter des Unrechts verfolgt. Nachdem er dies gesagt hat, fügt er die Worte hinzu: Gott, erhöre mein Gebet, höre auf die Worte meines Mundes, als hätte er Anklage erhoben vor dem, der über ihn und die, die ihm Unrecht tun, richtet. Und damit der Inhalt der Anklage auch ja aufgenommen werde, schickt er das Gebet voraus, und bittet um Gehör auch für dieses mit den Versen: Gott, erhöre mein Gebet, höre auf die Worte meines Mundes. Was aber das Anliegen des Gebets ist, und welche Anklage er hat, spricht er im folgenden aus: Denn Fremde haben sich gegen mich erhoben, und Starke trachteten nach meiner Seele, und Gott haben sie nicht vor sich gestellt. Dies war der Inhalt der Anklage. Doch sieh, wie er nicht lange Worte macht, sondern, da er ja mit Gott spricht, der alles weiß, ihm (den Tatbestand) nur in Erinnerung ruft und auf eine lange Ausführung der Dinge verzichtet. Vielleicht hat er jedoch in den Fremden die Ziphäer angedeutet, die ihn bei Saul verleumdten; in den Starken jedoch, die nach seiner Seele trachteten , Saul selbst und seine Gefährten, die, ohne Gott vor sich zu stellen , dem nachjagten, der ihnen kein Unrecht getan hatte. Dabei täuschten sie sich selbst mit dem Glauben, dass sie auch entgegen dem Willen Gottes etwas gegen ihn ausrichten könnten. Dies aber war nach der Art von Männern, die Gott nicht vor ihr Angesicht gestellt haben , und dies wurde geschrieben , sagt der Apostel, zur Ermahnung für uns , damit wir Nachahmer der Heiligen werden sollen, für den Fall, dass uns einmal ähnliches widerfahren sollte. Denn es gibt keine Zeit, in der alle, die gottesfürchtig leben wollen, nicht verfolgt und gehasst werden, in ungerechtem Haß, von denen, die ein gegensätzliches Leben gewählt haben. Und so ist der vorliegende Psalm für uns zur Belehrung nötig, damit auch wir nach Art einer Beschwörung uns selbst beschwören, indem wir solche Worte zu Gott hinaufsenden, wann immer wir unter Feinde fallen mögen und uns von ihnen nachgestellt werden mag, und wir verleumdet und in Gefahr geraten mögen, in der Überzeugung, dass die Worte des Gebets nicht umsonst sein werden. Die großen Dinge aber werden uns widerfahren, ebenso wie eben denen, die zuerst gebetet haben. Sobald nun also David dies gebetet hatte, wurde er im selben Augenblick von Gott erhört und seines Beistands für würdig erachtet. Denn gerade als er kurz davor stand, gefangen zu werden und Saul in die Hände zu geraten, wurde er unerwartet von Gott gerettet, indem eine Nachricht Saul zu einer anderen Angelegenheit rief, wie es die Geschichte berichtet. Daher sagt er im Anschluss: Siehe nämlich: Gott hilft mir, der Herr ist der Beistand meiner Seele. Er wird die schlechten Taten meiner Feinde auf sie zurücklenken, in deiner Wahrheit rotte sie aus. {Diapsalma.} Das Diapsalma bewirkte einen Wechsel des Inhalts. Die ersten Verse wurden nämlich als Gebet zu Gott emporgesandt, die anschließenden Verse jedoch trägt er in prophetischer Weise vor, nämlich die, welche die Rettung für den Betenden anzeigen und den Fall der Feinde, von denen erlöst zu werden er gebetet hatte. Dies also prophezeit er aus dem heiligen Geist, indem er auf das, was ihn selbst angeht, hinweist in folgenden Worten: Siehe nämlich: Gott hilft mir, der Herr ist der Beistand meiner Seele. Was aber seine Feinde angeht, entweder die Ziphäer, die ihn bei Saul verleumdeten, oder auch irgendwelche geistigen Feinde, oder auch die unsichtbare Feinde, die ihn aufhalten wollen in seinem Fortschritt zu Gott und ihn daher überlisten wollen, beschreibt er in dem Vers: Er wird die schlechten Taten meiner Feinde auf sie zurücklenken, in deiner Wahrheit rotte sie aus. Nach Symmachos heißt es jedoch: Er wird die schlechten Taten heimzahlen denen, die mich entkleiden, in deiner Wahrheit bring sie zum Schweigen. Und sieh, ob dies nicht der Geschichte entspricht. Denn als er sich bei den Ziphäer verbergen wollte, haben sie ihn ja tatsächlich gleichsam entblößt und entkleidet , indem sie ihn bei Saul anzeigten und dabei verleumderische Worte gegen ihn gebrauchten. Aus diesem Grund hat er anscheinend in seiner Rede über sie gesagt: Er wird die schlechten Taten heimzahlen denen, die mich entkleiden, und in deiner Wahrheit bring sie zum Schweigen. Denn gut ist für sie das Schweigen, so dass sie nicht derartige Verleumdungen gegen mich aussprechen. Mit Nachdruck aber und angemessen nennt er Gott Beistand , oder nach Symmachos Unterstützung , seiner Seele . Weil nämlich weiter oben die Starken nach seiner Seele trachteten und es vorzogen, ihn nicht in gleicher Weise körperlich zu bedrängen wie in seiner Seele, daher nennt er angemessener Weise den Herrn Beistand seiner Seele . Denn er gab nichts auf seinen Körper, noch auf die äußerlichen Dinge, noch auf das vergängliche Leben, sondern einzig und allein auf seine Seele .