Auslegung (zur Überschrift) für die Keltern Es gibt drei Psalmen, die mit für die Keltern überschrieben sind: den achten, den achtzigsten und den dreiundachtzigsten. Sie scheinen mir die Gesamtheit der Kirche und die große Menge der Zusammenkünfte zu demselben Zweck zu bedeuten. Denn in den Kirchen geschieht es, dass von vielen ein einziges Gebet und Lobpreisen zu Gott emporgeschickt wird, wie in den Keltern aus vielen verschiedenen Weinstöcken eine einzige Mischung Wein hergestellt wird. Lange Zeit zuvor gab es ja auch an einem einzigen Ort in Jerusalem sozusagen eine einzige Kelter, wo man sich traf und seine Gebete emporsandte. An genau diese denkt Jesaias in den Worten: Und ich baute einen Turm und grub in ihm einen Keltertrog (Jes 5,2). Der Turm bedeutet den Tempel, der Keltertrog den Opferaltar. Aber weil er jene zunächst zu zerstören androhte und dann auch zerstörte, errichtete er anstelle einer einzigen mehrere Keltern, die Kirchen auf dem ganzen Erdkreis. Deshalb heißt es im achten Psalm so: Herr, unser Herr, wie wunderbar ist dein Name auf der ganzen Erde (Ps 8,10), denn deutlich stellte er die Keltern Gottes auf dem ganzen Erdkreis dar. Und der achtzigste, weil auch er sich auf die Kelter bezieht, fordert alle Völker auf, dem Gott der Propheten zu lobsingen; er sagt ja: Freut euch an Gott, eurem Helfer; jubelt zu dem Gott Jakobs (Ps 80,2). Dann deutet er weiter unten die Verstoßung seines früheren Volkes an mit den Worten: Aber mein Volk hörte nicht auf meine Stimme, und Israel achtete mich nicht, und ich schickte sie weg, wie die Geschäftigkeit ihrer Herzen es wollte (Ps 80,12f.). Auch der dreiundachtzigste, der dieselbe Überschrift hat, stellt nicht mehr ein einziges Zelt und nicht einen einzigen Opferaltar, nämlich den in Jerusalem, dar, sondern viele Zelte und viele Opferaltäre; deshalb ist er, weil eben diese Zelte und Opferaltäre viele Keltern sind, überschrieben mit für die Keltern . Er sagt ja: Wie liebenswert sind deine Zelte, Herr der Mächte. Meine Seele vergeht vor Sehnsucht nach den Höfen des Herrn (Ps 83,2f.). Und er fügt hinzu: deine Opferaltäre, Herr der Mächte (Ps 83,4). Und wiederum setzt er, im Plural, hinzu: Unser Beschützer, Gott, sieh her, und blicke auf das Gesicht deines Gesalbten, denn größer ist ein einziger Tag in deinen Höfen als tausende (erg.: ohne dich, Ps 83,10f.). Hier wird man bemerken, dass er Christus sogar namentlich erwähnt. Auslegung (zur Überschrift) für den achten (Tag) Die zwei Psalmen, die überschrieben sind mit für den achten (Tag) , verweisen, glaube ich, andeutungsweise auf den Heilstag (vgl. Is 49,8) der Auferstehung des Herrn. Nachdem ja David die Sünde zum Tod verübt hatte (vgl. II Sam 11), fleht er im sechsten Psalm, nicht von der Wut und dem Zorn Gottes versucht zu werden, sondern dass seine Seele Erbarmen und Rettung erlange. Dass dies so sein werde, kündigt er mit den Worten an: Wende dich (zu mir), Herr, erlöse meine Seele; rette mich um deines Erbarmens willen. Denn wer kann im Tod an dich denken, wer in der Unterwelt dich rühmen (Ps 6,5f.)? Dabei fleht er, dass geradezu der Herr selbst seine Seele aus dem Tod erlöse. Im weiteren macht er klar, dass er den Zweck seiner Gebete erreicht hat, wenn er sagt: Der Herr hörte auf die Stimme meines Weinens; der Herr erhörte mein Bitten; der Herr hat mein Gebet angenommen (Ps 6,9f.). Dadurch stellte er andeutend dar, dass die Wiedererlangung seines Lebens aus dem Tod mit der Auferstehung Christi erfolgt sei. Auf die gleiche Weise ist aber auch der elfte mit für den achten (Tag) überschrieben. Er enthält ein ähnliches Flehen Davids, der sagt: Rette mich, Herr, denn der Fromme ist verschwunden (Ps 11,2). Im weiteren fügt er dann nicht verhüllt, sondern offen die Worte hinzu: Jetzt werde ich aufstehen, spricht der Herr, ich werde (sie) ins Heil bringen (11,6). Wegen dieser Auferstehung des Herrn, die am Tag nach dem Sabbat, das ist der achte (Tag), geschehen ist auf die Prägung des neuen Lebens hin, ist meiner Meinung nach der Psalm einer solchen Überschrift für wert befunden worden. Für die, die verwandelt sein werden Alle (Psalmen), die überschrieben sind mit für die, die verwandelt sein werden , sind vier an der Zahl. Von diesen scheint mir der neunundfünfzigste die Verwandlung der Völker zu beinhalten, die sie erfahren haben, als sie vom Irrtum der Götzenfurcht zum Glauben an den Gott des Alls übergetreten waren. Es heißt ja: Gott sprach in seinem Heiligtum: Ich werde jubeln und Sichem zerteilen, und ich werde das Tal der Zelte durchmessen. Mein ist Galaad, und mein ist Manasse, und Ephraim ist die Wappnung meines Hauptes, Judas mein König, Moab das Waschbecken meiner Hoffnung. Über Idumaea werde ich meinen Schuh ausstrecken, mir wurden Fremdstämmige untertan gemacht (Ps 59,8–10). Er hat also zusammen mit den israelitischen Stämmen auch Moab und Idumaea und die fremden Stämme einbegriffen. Der auf gleiche Weise überschriebene achtundsechzigste enthält die Veränderung und Verwandlung dessen, der unseretwegen in die Tiefen des geisti gen Meeres (vgl. Ps 68,3) hinabgestiegen ist, und was mit seinem Leiden zusammenhängt, das er auch klarmacht durch die Worte: Sie reichten Galle zu meiner Speise, und gaben mir Essig zu trinken gegen meinen Durst (Ps 68,22), und für die, die ihm nachstellten, die Wende zum Schlechteren, was er auch selbst mit den Worten darstellt: Ihre Augen sollen verdunkelt werden, damit sie nicht sehen, und krümme für immer ihren Rücken (Ps 68,24), und so weiter. Und der vierundvierzigste, der von den Söhnen Korachs ist und überschrieben ist mit für die, die verwandelt sein werden und mit für den Geliebten , auch er enthält die Verwandlung am Geliebten Gottes, da er zugleich sowohl seine Bezeichnung als Gott (vgl. Ps 44,7) beinhaltet als auch die Umkehr der aus den Heiden entstandenen Gemeinde zu ihm hin anzeigt durch die Worte: Höre, Tochter, sieh und neige dein Ohr (Ps 44,11), und so weiter. Der neunundsiebzigste ist zwar von Asaf, weil er aber auch auf gleiche Weise überschrieben ist, enthält er wieder die Wende des früheren Volkes zum Schlechteren in den Worten: Du hast einen Weinstock aus Ägypten geholt (Ps 79,9), und so weiter. Und weil die Blüte und der Duft der Blumen der Erde und der Lilien nur zu schnell sich wandelt und zum Untergang wechselt, hat es den Anschein, dass deshalb das Hebräische über die Lilien oder über die Blumen enthält. Deswegen haben für den Ausdruck für die, die verwandelt sein werden einerseits Aquila bei den Lilien , andererseits Symmachus über die Blumen übersetzt. Über die Geheimnisse Die mit über die Geheimnisse überschriebenen (Psalmen) enthalten einen gewissen verborgenen und heimlichen Kampf und den Sieg unseres Erlösers über die unsichtbaren und geistigen Feinde. Jedenfalls heißt es im neunten: weil mein Feind sich rückwärts wandte (Ps 9,4), und so weiter. Dem fügt er hinzu, wobei er die Berufung der Völker zu erkennen gibt: Spielt dem Herrn, der auf dem Zion wohnt, verkündet unter den Völkern seine Taten (Ps 9,12). Und dass diese verborgen zur Zeit seines Leidens von ihm vollbracht wurden, zeigen die Ausdrücke, die vor dem Psalm stehen. Er ist nämlich überschrieben mit über die Geheimnisse des Sohnes , wofür Symmachus über den Tod des Sohnes gesetzt hat, Aquila dagegen über die Jugendlichkeit . Damit stimmt überein, was durch den Psalm über sein Aufleben aus dem Tod kenntlich gemacht wird gemäß der Stelle: der du mich aus den Pforten des Todes heraushebst (Ps 9,14). Auch der fünfundvierzigste, der ähnlich über die Geheimnisse heißt, stellt den unsichtbaren und geistigen Kampf dar, wenn er sagt: Die Völker wurden erschüttert, die Königreiche wankten (Ps 45,7), und so weiter. Weil er ferner einst obsiegenden Herrscher der Völker vernichtet und die Völker sich untertan gemacht hat, fügt er im Weiteren hinzu: Ich werde erhöht werden unter den Völkern, ich werde erhöht werden auf der Erde (Ps 45,11). Säuleninschrift Die mit Säuleninschrift überschriebenen (Psalmen) enthalten Worte der Mäßigung und der Demut. Deshalb hat Aquila anstelle des Ausdrucks Säuleninschrift übersetzt von einem demütigen Vollkommenen , Symmachus dagegen von einem Demütigen und Untadeligen . Sei es nämlich, dass David als König und Herrscher über ganz Israel maßvoll und demütig dachte und solche Äußerungen von sich gab, sei es auch, dass der Gesalbte Gottes in demütiger Gesinnung eine Weissagung gab, wie er ja tatsächlich durch die Worte lehrt: Lernt von mir, denn ich bin sanft und demütig von Herzen (Mt 11,29): Die Worte sind es wohl wert, auf einer Säule zu stehen und für alle Zeit erinnert zu werden, was durch die Säuleninschrift gewährleistet wird. Du wirst das Gesagte vom fünfundfünfzigsten (Psalm) her verstehen, der überschrieben ist mit Säuleninschrift oder von einem demütigen Vollkommenen oder von einem Demütigen und Untadeligen , in dem gesagt wird: Erbarme dich meiner, Gott, denn der Mensch tritt auf mich, den ganzen Tag (Ps 55,2), und so weiter. Auch der sechsundfünfzigste, der dieselbe Überschrift hat, erinnert wiederum an jene, die auf ihn treten, wenn er sagt: Er hat mir jene, die auf mich treten, zur Schande gegeben (Ps 56,4). Und wenn man die übrigen der so überschriebenen (Psalmen) durchgeht, wird man entdecken, dass sie denselben Sinn haben.