Wir unterscheiden uns auch in Anschauung und Betreiben des Krieges von unseren Gegnern. Darin nämlich daß wir unsere Stadt als allen gemeinsam betrachten. Und nie geschieht es daß wir durch Ausweisung eines Fremden irgend jemanden von etwas Wissens- oder Sehenswertem abhalten, weil etwa dadurch daß man es nicht geheim hält irgend einer unserer Feinde daraus Nutzen ziehen könne. Wir vertrauen nicht so sehr auf Vorkehrungen und Täuschungen als auf den in uns lebenden Mut und Glauben für alle unsere Werke. Und während jene schon von Kindesbeinen an, kaum entwickelt, in wahrhaft asketischen Übungen mannhaftes Wesen zu erwerben trachten, so gehen wir, wiewohl wir ungebundener leben, darum mit nicht geringerem Mut den gleichen Gefahren entgegen. Beweis ist daß die Lakedaimonier nicht auf sich selbst vertrauend sondern mit allerlei Völkern gemeinsam unser Land bekriegen. Wenn aber wir den Krieg in fremdes Land tragen, so wird uns im Kampf selbst mit denen die Haus und Hof zu verteidigen haben meist unschwer der Sieg. Auf unsere vereinte Macht stieß kein Feind jemals, weil wir mit dem Heer zugleich unsere Flotte halten und unsere Landmacht an vielen Punkten zugleich Verwendung findet. Wenn sie aber mit irgend einem Teile irgendwo zusammen treffen und geringfügige Kräfte von uns übermannen, prahlen sie, sie hätten unsere Gesamtmacht geschlagen, und wenn sie unterliegen, sie seien unserer gesamten Macht unterlegen. Sei’s also drum, daß wir mehr aus Leichtblütigkeit als durch mühevolle Übungen und weniger infolge strenger Gesetze als infolge männlicher Grundsätze den Gefahren des Krieges gewachsen sind: es kommt uns zugute, zukünftiger Leiden wegen nicht im voraus uns zu sorgen und wenn sie da sind uns nicht mutloser als ewig sich Abmarternde zu erzeigen. — Hierin ist die Stadt der Bewunderung würdig; aber nicht minder in anderem, denn wir sind Freunde des Schönen im Maße des Rechten und Freunde der Weisheit ohne der Weichheit zu verfallen. Vom Reichtum machen wir mehr zu gutem Werke Gebrauch als um in Worten damit zu prunken. Armut einzugestehen ist nicht schimpflich; doch ihr durch Arbeit nicht zu entfliehen ist mehr als schimpflich. Dieselben Männer machen es sich zur Pflicht ihre eigenen Angelegenheiten zugleich mit denen des Staates zu verwalten; die ändern aber, die dem Werk ihrer Hände obliegen müssen, sind darum nicht ohne Verstand in politischen Dingen. Denn wir allein sind es, die den der sich solchen ganz fernhält nicht für einen Ruheliebenden sondern für einen Unnützen erachten. Auf eigenem Urteil und auf eigener Überzeugung beruht unser Tun; und wir halten nicht die Rede für eine Gefahr für die Tat, sondern eher, nicht durch die Rede sich belehren zu lassen bevor man zur Tat schreitet« Denn auch dies ist unsere Art: da am freiesten zu wagen wo wir am besten durchdacht haben; bei ändern aber erzeugt nur die Unkenntnis den Wagemut, die Überlegung jedoch Zagen. Die seelische Kraft derer wird wohl mit Recht als die stärkste gerühmt,die das Schreckliche wie das Süße mit voller Klarheit erkennen und doch sich keiner Gefahr entziehen. Auch von der Tugend der Wohltätigkeit denken wir anders als die Meisten. Denn nicht Wohltat erleidend sondern Wohltat erweisend gewinnen wir Freunde. Beständiger ist der welcher die Gunst erwiesen hat; denn er ist gesonnen sich die Dankbarkeit dessen dauernd zu erhalten dem er gab. Der Empfänger indes ist weniger freudig insofern er nicht aus freier Gunst sondern nur in Entgegnung einer solchen gibt und Wohltat übt. Und wir allein vermögen weniger aus Berechnung als aus stolzem Freigefühl und ohne üble Deutung zu beglücken. — Indem ich alles zusammenfasse so sage ich daß unsere Stadt im großen eine hohe Schule für ganz Griechenland ist und daß im einzelnen jeder von uns vollkommen für jegliches Tun anmutig und sicher sich menschlich bewähren wird. Daß dies nicht ein für die Gelegenheit berechneter Redeprunk sondern die Wahrheit der Dinge selbst ist? das erweist die Macht dieser Stadt, die wir kraft jener Eigenschaften aufgerichtet haben. Sie allein geht, hocherhaben über alles von Menschen je Erhört, dem Gipfel ihrer Kraft entgegen und sie allein gibt weder dem andringenden Feinde Anlaß zur Entrüstung daß er von solchen Männern Schläge erleidet, noch Raum zu Klage bei den Unterworfenen daß sie von Unwürdigen beherrscht würden. Unter gewaltigen Zeichen und wahrlich nicht unbezeugt haben wir unsere Macht ausgebreitet und die Bewunderung der lebenden Geschlechter wie der Nachwelt wird uns zuteil. Keines Homeros bedürfen wir als Verkünder unseres Ruhms noch sonst eines ändern der in Heldengesängen Herrliches darstellen mag während die Wahrheit die Uberhebung der Tat Lügen straft, sondern wir haben zu allen Meeren und Ländern kühn uns den Eingang eröffnet und allüberall die Denkmäler unserer Taten im Bösen wie im Guten aufgerichtet. Für eine solche Stadt nun haben diese willig ihr Leben hingegeben, tapfer gesonnen, sie nicht sich rauben zu lassen, und jeder der Unseren ist bereit aus Liebe zu ihr das Gleiche zu leiden. — Deshalb aber habe ich den Angelegenheiten dieser Stadt länger das Wort gegeben um euch des zu belehren: daß wir nicht um Gleiches kämpfen wie die die nichts derart besitzen; zugleich aber um den Ruhm dieser für die ich spreche in allsichtbaren Beweisen ans helle Licht zu rücken. Das höchste für sie ist schon gesagt. Denn was ich an dieser Stadt rühmte: dieser Männer und ihresgleichen Tüchtigkeit hat sie damit geschmückt; und nicht bei vielen Hellenen möchte ein solches Wort, wie bei diesen, die Taten nicht überbieten. Ein solcher Untergang zumal wie ihn diese erlitten scheint mir Mannestugend zu bekunden, da er sie im ersten erfordert und im letzten besiegelt. Denn auch bei denen die sich in anderen Dingen schlechter erwiesen ist es gerecht die Tapferkeit im Kampfe für’s Vaterland über alles andere hinaus anzurechnen: indem sie dergestalt durch das Gute das Schlechte wettmachen, haben sie insgemein mehr genützt als im Einzelnen geschadet. Von diesen aber hat weder einer, die Genüsse des Lebens voranstellend, in Wohlsein sich verweichlichen lassen noch in der Hoffnung seiner Armut durch Reichwerden zu entgehen es von sich geschoben dem Schrecklichen sich zu stellen. Die Züchtigung des Feindes war ihnen ersehnter, und indem sie die Gefahr des Todes als das Schönste empfanden, gedachten sie ihr zum Trotz den Feind zu züchtigen und damit zugleich das schönste Los zu gewinnen. Den unsichtbaren Erfolg überließen sie der Hoffnung, in der vor Augen liegenden Tat aber die es galt glaubten sie sich selber vertrauen zu müssen und gaben dabei Kampf und Tod den Vorzug vor Weichen und Rettung des Lebens. Schimpfliche Nachrede nur war es der sie zu entgehen trachteten. Die Tat aber bestanden sie mit ihrem Leibe, und auf einer ganz schmalen Schicksals schneide, vom höchsten Atem des Ruhmes umweht, fern aller Furcht, sind sie geschieden. — Also handelnd taten dem Staat sie Gebühr —: und sie wurden zu Helden. Die überlebenden aber sollen, wenn sie auch beten mögen um ein gnädigeres Schicksal, keine minder herrliche Gesinnung vor dem Feinde erweisen zu dürfen vermeinen. Denn allein den Nutzen einer solchen sollen sie nicht berechnend ins Auge fassen, den einer wohl dartun kann indem er euch weitschweifig vorredet was ihr schon wißt: wie gut und köstlich es sei den Feinden zu wehren; vielmehr sollt ihr, die Macht eurer Stadt Tag für Tag in solchem Wirken vor Augen sehend, sie liebgewinnen; und wenn sie euch groß dünkt an Ansehen, so bedenkt daß kühne Männer, die wußten was not tut und handelten wie es die Ehre ihnen gebot, dies alles errungen haben — die, wenn auch einmal ein Unternehmen fehlschlug, nun nicht gleich dem Staat ihre Kraft zu entziehen für gut befanden sondern sich ihm als schönstes Opfer darbrachten. Zum Wohle aller gaben sie ihr Leben, sich selbst aber errangen sie unsterblichen Ruhm und das erhabenste Grab; nicht nur das in dem sie nun ruhen sondern auch jenes andere in welchem unvergessen ewig bei allen Geschlechtern bei jedem Anlaß der Rede oder der Tat ihr Gedächtnis bewahrt ist Leuchtender Männer Grab ist die ganze Erde und nicht nur die Inschrift der Säule in der Heimat bezeichnet sie. Auch im fremden Lande lebt ewig in der Brust der Menschen das ungeschriebene Gedächtnis ihrer Gesinnung mehr noch als das ihrer Tat. Diesen also eifert nach; und wenn ihr das Glück in der Freiheit, die Freiheit aber im Mute findet dann blickt ihr nicht ängstlich um euch in den Gefahren der Schlacht. Nicht die welche ein elendes Dasein führen und keine Hoffnung vor sich sehen haben eine bessere Ursache das Leben in die Schanze zu schlagen, sondern die denen ein Umschwung vom Glück zum Unglück droht und bei denen der Unterschied groß ist wenn sie das Unheil betrifft. Denn schmerzlicher trifft einen Mann die durch Verweichlichung eintretende Erniedrigung als der in der Blüte der Kraft und gemeinsamer Hoffnung nicht mehr fühlbare Tod. —