In diesem Winter feierten die Athener nach der Sitte der Väter öffentlich das Leichenbegängnis der ersten im Kriege gefallenen. Mit dem Zuge kann jeder gehen der will, Bürger oder Fremder; auch die verwandten Frauen ziehen zur Bestattung hinaus in Wehklage. Darauf setzt man die toten in dem öffentlichen Grabdenkmal bei, das in dem schönsten Vorort der Stadt gelegen ist. Und hier begrub man immer die im Kriege gefallenen, ausgenommen die Helden von Marathon; denn da man die Tapferkeit dieser für unvergleichlich erachtete gab man ihnen dort auf dem Schlachtfeld ihr eigenes Grab. Wenn sie aber die Erde bedeckt hat spricht ein von der Stadt dazu erhobener Mann, der im Ansehen steht an Einsicht und würde hervorzuragen, zu ihrem Lobe wie es ihnen zukommt. So werden sie bestattet. Danach entfernt man sich. Während des ganzen Krieges, so oft es dazu kam, hielt man sich an diese Sitte. Für diese ersten nun wurde Perikles des Xanthippos Sohn erwählt zu reden. Als der Augenblick gekommen war, trat er, um weithin in der Versammlung gehört zu werden, vom Grabe hinweg auf einen Hochtritt, den man errichtet hatte und sprach also: Die vielen, die vor mir von dieser Stätte aus gesprochen haben, preisen den der diese Rede des Gedenkens zum Gesetz erhoben hat; gleich als ob es genug der Ehre sei für die Gefallenen öffentlich zu reden. Mir aber würde es ehrenvoller erscheinen wenn Männer die durch die Tat sich geadelt haben, auch durch die Tat geehrt werden, wie sie ja in Gestalt dieser vom Staate selbst gerüsteten Bestattung vor Eurer aller Augen steht; und nicht sollte von eines Mannes Wort die Tapferkeit so vieler abhängen, sofern der dem dies Wort anvertraut ist vielleicht gut reden mag, vielleicht aber auch schlecht. Denn schwer ist es das Maß der Rede zu treffen wo überhaupt kaum die Wahrheit zu veranschaulichen möglich ist. Denn wer mit dabei war und den Dingen Gerechtigkeit widerfahren lassen will, der könnte leicht den Eindruck haben daß alles hinter seinem Willen und Wissen zurückbleibe. Der Unerfahrene aber wird es für übertrieben halten: aus Neid nämlich wenn er von Dingen hört die über seine Kräfte gehen. Denn daß anderen Lob gezollt werde ertragen die Menschen nur insoweit als auch jeder für seine eigene Person sich fähig hält, etwas von dem was er gehört hat zu vollbringen. Was aber darüber hinaus geht das neiden sie schon und schenken ihm keinen Glauben. Da es indessen unsern Vorvordern so gut deuchte, muß auch ich dem Gesetze gehorchend versuchen, euer aller Erwartung und Wunsch zu erfüllen, so wie es in meiner Macht steht.- Beginnen aber will ich mit unsern Vorfahren; denn dies ist nur gerecht gegen sie und ziemend, ihnen bei dieser Feier die Ehre des Gedächtnisses zu geben. Sie allein bewohnten dieses Land, nie vermischt mit Fremden, von ewigen Zeiten her, und in der Folge der Geschlechter bis zur Stunde überlieferten sie es dank ihrer Tapferkeit als ein freies Land bis auf uns. Doch wenn jene würdig des Lobes sind, unsere Väter sind es noch mehr. Denn über das was ihnen überkommen war hinaus errangen sie, nicht ohne Mühen wahrlich, die Macht die wir jetzt innehaben und hinterließen sie uns, den Lebenden. Das Höchste an Macht freilich haben wir selbst, das Geschlecht von heute, angehäuft und gefestigt in der Kraft unserer Mannesjahre und die Stadt in allen Stücken in den Stand gesetzt daß sie im Kriege wie im Frieden ganz sich selbst genüge. Die Kriegstaten durch die das Einzelne errungen wurde, die Abwehrkämpfe in denen wir und unsere Väter gegen Barbaren oder Hellenen es schirmten, will ich unter Männern die des allen Zeugen waren nicht großsprecherisch schildern. Von dem Geiste aber der uns dahin gebracht, von den Staatseinrichtungen und Grundsätzen denen wir unsere Größe verdanken, davon will ich zuerst reden und dann zum lobenden Gedächtnis dieser Toten schreiten. Denn ich erachte es nicht nur als schicklich in diesem Augenblicke sondern auch als wesentlich und für jeden, Bürger wie Fremden, zuträglich solches zu hören.- Wir genießen einer Verfassung welche die Gesetzgebung anderer Staaten nicht nachahmt; im Gegenteil sind wir eher ändern ein Beispiel, als daß wir sie nachahmten. Und mit Recht wird sie, da die Gewalt nicht bei wenigen sondern bei der Gesamtheit ruht, Volksherrschaft genannt Jedem gebührt nach den Gesetzen gleiches Recht mit den ändern in allen seinen Angelegenheiten; in den öffentlichen Würden aber wird jeder dort wo er sich auszeichnet, nicht weil er aus einem bestimmten Teile der Bürgerschaft hervorgegangen sondern wegen seiner Tüchtigkeit, vorangestellt; auch wird keiner infolge von Armut, wenn er nur irgend etwas für den Staat zu leisten hat, um der Unscheinbarkeit seines Ranges willen ausgeschlossen. Frei bewegen wir uns in den Verhältnissen des öffentlichen Lebens und untereinander bei der Reibung und dem Verdruß des Tages; wir tragen’s dem Nachbarn nicht im Zorn nach, wenn er etwas aus Lust und Übermut tut, wir verhärten uns aber auch nicht gegen ihn in Hinterhältigkeit und Zwang, die sein Auge schmerzlich und kränkend berühren würden. Während wir dergestalt unbeschwert von Mensch zu Mensch verkehren, widerstreben uns im öffentlichen Leben zumeist aus sittlicher Ehrfurcht Unbotmäßigkeiten gegen die ständige Obrigkeit und die Gesetze, vorzüglich gegen die welche zum Schutze der Schwächeren und Notleidenden bestehen und, wenn auch ungeschrieben, doch nach allgemeiner Denkart den Übertreter brandmarken.— Von der Arbeit bieten wir dem Geist vielerlei Erholung in Kampfspielen und Opferfesten, die über das Jahr hin gesetzlich angeordnet sind; nicht minder aber in gefälligen öffentlichen Bauten zum allgemeinen Gebrauch, dessen täglicher Genuß die Trübsal vertreibt. Die Größe der Stadt zieht uns aus allen Ländern die Fülle der Erzeugnisse heran und was bei uns das Land an Gütern hervorbringt können wir nicht in höherem Grade als uns zu eigen genießen denn alle Schätze der Welt.—