Denn es ist offenbar noch nicht so gar lange her, daß das Land, welches jetzt unter dem Namen Hellas begriffen wird, festansäßige Bewohner hat; vielmehr zeigen sich häufige Veränderungen des Wohnsitzes: ein Jeder trennte sich leicht von seinem Wohnplatz, wenn überlegene Zahl ihn drängte. Handel nämlich gab es nicht, und weder zu Land noch zur See verkehrten die Menschen friedlich mit einander; Jeder zog nur, wessen er zum Leben nicht entrathen konnte, und suchte weder Vermögen zu erwerben, noch wandte er große Sorgfalt auf die Bebauung des Bodens; denn er konnte nicht wissen, ob nicht ein Stärkerer kommen und ihn des Seinigen berauben werde, was ohne große Mühe geschehen mochte, da die Wohnplätze nicht befestigt waren. Was er aber zur täglichen Nothdurft brauchte, durfte er hoffen sich überall stungen sind so ungeheuer, daß man schließlich wird allgemein entwaffnen müssen (1S5S. 65). Seitdem sind den Rüstungen große Kämpfe gefolgt, die wiederum «noch ausgedehntere, sich wie ins Unendliche steigernde Rüstungen zur Folge hatten. 3) DaS Letztere kann, wenn auch nicht ausschließlich, auf die Italischen und Sicilischen Hellenen bezogen werden (Kr.). 4) Der fast dreißigjährige Kampf, welcher die politischen und moralischen Mittel der gesamten Hellenenwelt aufrieb, mußte dem Thukydides, zumal -er den Krieg selber erlebte und mitfocht, viel wichtiger ershceinen als der ruhmvoll beendigte Perserkrieg, in welchem Neuere gern das Ereigniß sehen, das der occidentalischeu Welt die Möglichkeit einer selbstständigen Entwickelung ossen gehalten hat. (Vgl. I, 21 am Schluß und I, 23 zu Anfang.) Das gescheiterte Unternehmen der Perser scheint heute Rußland wiederholen zu wollen (13 78). leicht zu verschaffen, und so kam es ihn nicht schwer an, seinen Wohnsitz zu wechseln. Zum Besitz größerer Städte oder sonstwie zu Macht und Bedeutung konnten sie es deshalb nicht bringen. Der häufige Wechsel der Bewohner traf aber gerade immer das vorzüglichste Land, — so die Landschaften, welche jetzt Thessalien und Böotien heißen, auch den größten Theil des Peloponnes, mit Ausnahme Arkadiens ^), und wo sonst die besten Ländereien waren. Wegen der Trefflichkeit des Bodens nämlich erhoben sich Einige zu besonderem Wohlstand, und dieser erzeugte wiederum innere Unruhen, die Schwächung mit sich brachten, und zugleich fand auch die Begierde feindlicher Stämme sich besonders gereizt. Hingegen blieb Attika von der ältesten Zeit her seines geringeren Bodens wegen ohne innere Umwälzungen und behielt immer dieselben Bewohner ^). Und hierin liegt nicht der schwächste Beweis für die Behauptung, daß die übrigen griechischen Staaten grade der Wohnungsveränderungen wegen nicht zu gleicher Blüte gelangten. Wenn nämlich aus dem übrigen Hellas durch Krieg oder Aufruhr ein Theil der Einwohner vertrieben wurde, so wende- 5) Thessalien hieß erst so seit Einwanderung der Thessaler, eines theSprotischen Stammes (Herod. VII, 176. vgl. Thnkyd. I, 12.), früher Pyrrhäa, dann Hämonia. Ueber die Fruchtbarkeit des Landes s. Herod. VII, 12S. Strabo IX, S. 430. Xenoph. Hellen. VI, 1, 11. (Kr.) 6) Ueber BöotienS Fruchtbarkeit vgl. Krufe, Hellas II, 1. S. 419. (Kr.) 7) Durch Gebirge und Tapferkeit geschützt, behaupteten sich die Arkader selbst gegen die Dorier und Herakliden Gerad. II, 171.), stolz darauf, Autochthonen zu sein. Xenoph. Hellen. VII, I, 23. (Kr.) 8) Attika (kaum 40 mM.) hatte einen nur sparsam bewässerten, steinigen Boden mit leichter Erddecke. Getreide wurde nicht hinreichend erzeugt. Ausgezeichnete nnd reichliche Baumfrüchte, namentlich Oliven und Feigen, befriedigten kein nothwendiges Bedürfniß. Deshalb heißt es, wie bei Homer Jthaka, bei den Dichtern das steinige, rauhe (krs.ng,a,), und die Sage erfindet als Nachfolger des Gründers von Athen einen König Kranaos, nach welchem Athen auch Stadt des Kranaos, und die Athener Kranaer und Söhne des Kranaos genannt werben. Als solche, welche ihre Wohnsitze nie verändert hatten, nannten sich die Athener Autochthonen, d. i. Eingeborne, und setzten einen Stolz darein. Deshalb läßt sie Herodot (VII, 161) so reden: „Wir hätten ja ganz umsonst die größte Seemacht „unter allen Hellenen erworben, wenn wir den Syrakusieru die Feldhauptmann„fchaft abtreten wollten, wir Athener, das älteste Volk, die allein von allen Hellenen ihren Wohnplatz nie verändert." 1* ten sich schon von Alters her grade die Ansehnlichsten unter diesen nach Athens, weil sie die dortigen Zustände für sicher hielten, nnd vermehrten als nene Bürger die Bewohnerzahl der Stadt in dem Maße, daß man später, als Attika nicht mehr ausreichte, Kolonien nach Jonien schickte ^).